Donnerstag, 5. März 2009

Weg zum Frühjahr

Vorsichtig entzieht sie sich seinen Armen und der Schwere ihres Traumes. Schon wieder so eine Nacht, die mit kalten Händen nach ihrer Seele greift und mehr Kraft stiehlt als zu geben. Fröstelnd schleicht sie barfuß über die klammen Dielen der Holztreppe nach unten und schlingt sich die Wollstola mehrfach um ihren nach Wärme hungernden Körper. Nacht für Nacht gehen ihre Füße mit schlafwandlerischer Sicherheit den gleichen Weg durch die schattenhafte Landschaft des Hauses vom Schlafzimmer nach unten durch das Kaminzimmer in die Küche, wo sich ihre Hände um die noch kältere Milchflasche schließen, während sie an der Glastür zum Hintergarten verweilt und ihre Augen vergeblich nach dem Mond Ausschau halten. Die Schaukel, der Apfelbaum, die kahle Hecke, die nackten Wäscheleinen und die Gartenbank wirken farblos und trist. Sie warten auf das Frühjahr. So wie sie.
Müde bleibt ihr Blick an der kahlen Buchenhecke kleben. An den dürren, nackten Ästchen und diesem hoffnungslosen Bild von Vergangenem.

Wie von Zauberhand erscheint ein Tor vor ihren Augen, das die Hecke teilt. Die Glastür der Küche und das Tor in der Hecke öffnen sich in vollendeter Synchronität, laden sie ein, ihrer Neugier und dem Staunen zu folgen, dem sie kaum zu trauen wagt. Vor ihr liegt ein Weg.
Ein Weg, der da gar nicht sein kann…. Sie zwickt sich fest in ihre Arme, um sicher zu sein, dass sie nicht wieder eingeschlafen ist. Was sich da vor ihren Augen abspielt, ist zugleich unfassbar und doch von so tiefer Schönheit, dass sie sich dem Schauspiel völlig hingibt. Die Tür öffnet sich. Sie tritt auf die Veranda. Der Weg ist tatsächlich da. Immer deutlicher tritt er aus dem Hintergrund der Nacht hervor. Lichtstrahlen erscheinen am Himmel und tauchen diese Welt in frisches Grün. Zaghaft setzt sie einen Fuß vor den anderen, um zu diesem magischen Weg zu gelangen. Der Boden unter ihren Füßen wird wärmer, mit jedem Schritt, der sie auf ihrem Weg vorwärts bringt. Ein zartes Klirren dringt zu ihr, als würde Eis brechen. Töne von überirdischer Harmonie dringen durch ihre Ohren bis in ihr Herz. Aber stärker noch werden ihre Sinne von einem Duft betört, der Winter für Winter in Vergessenheit gerät, den man erst wieder findet, wenn es da ist – das Frühjahr. Blütenblätter regnen vor ihr aus dem Nichts vor ihre Füße wie Wegweiser. Als sie um die Ecke biegt, sieht sie am Ende des Weges ein kleines Haus. Schlicht aber hell liegt es da. Die Wollstola fällt zu den bunten Blättern auf den Weg und die wärmenden Strahlen durchdringen alle Schichten ihres Körpers bis zu ihrer Seele. Sie ist unterwegs zu diesem kleinen Haus. Und unterwegs zum Frühjahr ihres Lebens.

3 Kommentare:

  1. Du kannst wunderbar mit Sprache umgehen !Sehr berührend.
    LG
    Astrid

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  2. Ich schließe mich meiner Vorschreiberin an. Bei dir wirkt das so einfach, aber ich köbbte nie sowas schreiben.
    Wo hast du die Straße gefunden.....
    IDD Susa

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